Bevor es hier wieder einreißt, die Chart-Kritiken wochenlang vor mir herzuschieben, gibt’s nun die Neu-Einsteiger der deutschen Singlecharts vom 27. Januar 2006.

86: Tunnel Allstars – “das boot” / Video nicht verfügbar / kaufen

Die Musikbranche liefert immer wieder Fragen, die zu beantworten ziemlich schwer fällt. Diese zum Beispiel: Warum zur Hölle muss man Klaus Doldingers Titelmusik zum Kino/TV-Klassiker “Das Boot” schon wieder covern? Er selbst war 1981 auf Platz 62 der Charts, Alex Christensen aka U96 1991 auf Platz 1 und 2000 mit “das boot 2001” noch einmal auf Rang 16. Hätte es da nicht gereicht, das nächste Cover 2011 zu veröffentlichen? Nun also schon 2006. Christensen ist aber (ausnahmsweise) unschuldig, die Teunnel Allstars aus Hamburg sind Schuld. Sie unterlegen die bekannte Melodie mit ein paar Tekhouse-Beats, einem typisch trancigen gesang, der nicht ganz zur Melodie passt und fertig ist der belanglose Chart-Hit. 3 von 10 Punkten.

75: Hard-Fi – “cash machine” / Video / kaufen

Noch so eine Frage: Warum steigt die sehr sehr gute britische Newcomer-Band Hard-Fi nun schon zum zweiten Mal in die deutschen Single-Charts ein? Hab’ ich da was verpasst? Einen “Bravo”-Artikel zum Beispiel? Seit wann hat es Indie-Rock von neuen Bands so leicht? Wie auch immer, “cash machine” ist ein eher ruhiger, aber recht intelligent komponierter Titel vom empfehlenswerten Debüt-Album der Band. Mein Hard-Fi-Favorit bleibt “tied up too tight”. Für “cash machine” aber 7 von 10 Punkten.

58: Prince – “te amo corazón” / Video / kaufen

Der alte Mann hat seine besten Zeiten definitiv hinter sich. Vom Star und Trendsetter der 80er und 90er zum Schlager-Onkel. Denn mehr ist diese Liebes-Ballade definitiv nicht. Ein gelangweilt vor sich hinsäuselnder Prince haucht Liebesschwüre auf spanisch ins Mikrofon und eine Kapelle spielt leicht schräge Musik dazu. Enttäuschend. 2 von 10 Punkten.

41: Wir sind Helden – “wenn es pasiert” / Video / kaufen

Alles andere als enttäuschend ist mal wieder die neue Wir-sind-Helden-Single. Es geht mir schon wieder so wie beim ersten Album. Mit Ausnahme von jeweils einer Single gefällt mir jeder neu ausgekoppelte Song wieder extrem gut. Bei “wenn es passiert” kam der erste positive Eindruck durch das fabelhafte Video mit Axel Prahl zustande, das von Filmlounge produziert wurde, die auch für den aktuellen Tomte-Clip verantwortlich sind. Doch auch die Musik ist äußerst überzeugend. Eher Wir-sind-Helden-untypisch, ernst und erwachsen klingend, rockiger, erneut toll getextet und mit einer Melodie versehen, die durch die Hintertür kommt, dann aber bleibt und nicht mehr geht. Ein absolutes Highlight der deutschen Pop-Geschichte vergangener Jahre. 9 von 10 Punkten.

39: Hi_Tack – “say say say (waiting 4u)” / Video / kaufen

Noch so eine pumpende House-Coverversion. Diesmal musste “say say say” von Michael Jackson und Paul McCartney dran glauben. Zwei Holländer haben die Lyrics genommen, sie durch den Computer gejagt und ein paar Bassdrums drübergeklebt. Absolute Billigmusik. 2 von 10 Punkten.

28: The Disco Boys – “hey st. peter” / Video / kaufen

Aller guten Dinge sind drei: Die dritte Coverversion eines 80er Hits in modernem Großraum-Disco-gewand für diese Woche. The Disco Boys, die sich schon an Manfred Manns “for you” probierten, ruinieren diesmal “hey st. peter” von Flash & The Pan. Und zwar so richtig. Nicht, dass das Original noch einigermaßen hörbar wäre, aber dieses Cover nervt so dermaßen, dass man schreiend aus dem Raum rennen möchte. Völlig schräg, undurchdacht und kaputtprogrammiert. 1 von 10 Punkten

20: Sean Paul – “ever blazin'” / Video / kaufen

Da lob’ ich mir ja schon beinahe den neuesten Sean-Paul-Reggae-Pop-Knaller “ever blazin'”. Allerdings klingt auch der wie eine Cover-Version. In diesem Fall liegt das aber wohl eher daran, dass es schon genügend Songs gab, die ganz genau so klangen. Mister Paul singt/rappt vor sich hin, im Hintergrund piept eine Gameboy-artige Melodie vor sich hin und es bleibt ein schlechter Nachgeschmack. 3 von 10 Punkten

14: Farin Urlaub – “zehn” / Video / kaufen

Herr Urlaub mal wieder. Eine grandiose Idee, seine Live-Platte “livealbum of death” zu nennen. Da macht es beinahe schon nichts mehr, dass “zehn” ausgekoppelt wurde, ein harter, rockiger, mit Blasinstrumenten versehener Mitgröhl-Song, der auch von den Ärzten stammen könnte. Für Urlaub-Verhältnisse ein eher mittelmäßiger Song. 4 von 10 Punkten.

10: The Notorious B.I.G. – “nasty girl” / Video / kaufen

Neben Kurt Cobain wird wohl keine Leiche so geplündert wie The Notorious B.I.G. Auch fast neun Jahre nach seinem Tod erscheinen noch “neue” Songs der Rappers. Stücke von Leuten wie P.Diddy, Jay-Z, Snoop Dogg werden mit B.I.G.-Gerappe angereichert und fertig. Das Album dazu heißt “The Final Chapter”. Wer’s glaubt. 3 von 10 Punkten.

Die Top Ten vom 27. Januar 2006:
01 (01) Mattafix – “big city life”
02 (02) Madonna – “hung up”
03 (04) Bob Sinclair feat. Goleo VI – “love generation”
04 (03) Xavier Naidoo – “dieser weg”
05 (12) Pinocchio – “klick klack”
06 (06) The Black Eyed Peas – “my humps”
07 (05) Melanie C – “first day of my life”
08 (07) Eminem – “when i’m gone”
09 (08) Tic Tac Toe – “spiegel”
10 (–) The Notorious B.I.G. – “nasty girl”

Ebenfalls erschienen, aber gefloppt:
– Donky Doris – “wm 2006 – ja das haste nicht gesehn”
– Tool – “parabola / schism”
– Yellowcard – “lights and sounds”