charts-kritik: 18. mai 2007.
Ohne große Einleitung. Hier sind die New Entries der deutschen Singlecharts vom 18. Mai 2007:
99: Muff Potter – “fotoautomat”
Muff Potter ist eine deutsche Indie-Band, die es zwar schon viele Jahre gibt, die aber neuerdings von Universal in die Charts gedrückt werden soll – was allerdings bisher nicht so richtig klappt. Musikalisch klingt “fotoautomat”, die erste Single der neuen Platte, etwas wie Madsen, vielleicht auch ein bisschen wie Kettcar. Der Song ist zwar nicht wirklich innovativ, aber welche Musik kann das heutzutage auch noch sein? Er rockt auf jeden Fall sehr ordentlich und geht sofort ins Ohr. Perfekte Musik für den Festival-Sommer. 8 von 10 Punkten.
94: Banaroo – “i’ll fly away (premium version)”
Ach herrje, und dann gleich sowas hinterher. Der Stern von Banaroo geht aber anscheinend auch unter. Einst die (dank Super RTL) angesagteste Kapelle in Deutschlands Kinderzimmern, steigen sie mittlerweile nur noch auf Platz 94 ein. Der Text ist peinlich plump wie immer, es gibt viele “ah ah ah”s und “oh oh oh”s – Nichts Neues also von der Banaroo-Front. Grottiger Kinderpop. 1 von 10 Punkten.
89: Chat A Nuga – “clap! clap!”
Apropos grottig: Schon sind wir bei Platz 89. Ein mittelmäßig begabter Sänger hat sich aus bekannten Latino-Hits ein paar Zitate zusammengeklebt, wird begleitet von einem heiseren Möchtegern-Rapper und fertig ist der Sommerhit 2007. Ist allerdings wohl nicht so ganz aufgegangen, der Plan. Denn mehr als ein paar Hundert Singles muss man ja für Platz 89 nicht verkaufen. 2 von 10 Punkten.
81: Elin – “better with you”
Oh, was ist das denn? Ein deutscher Versuch einer Avril-Lavigne-Kopie? Wurde ja eigentlich auch mal Zeit, schließlich wird sonst alles viel schneller kopiert. Der Song klingt dann zwar etwas mehr nach Kelly Clarkson als nach Avril Lavigne, aber das ist ja ohnehin mittlerweile alles eine Soße. Wie auch immer: ein Popnümmerchen, dem Eigenständigkeit genauso fehlt wie eine Ohrwurm-Qualität. 3 von 10 Punkten.
79: Blind Guardian – “another stranger me”
Ich hab ja schon oft erzählt, dass das früher in der Pubertät meine Musik war. Helloween, Blind Guardian, Gamma Ray, all die deutschen Power-Metal-Bands. Blind Guardian gehört zu denen, die es geschafft haben, ihren Erfolg bis zum heutigen Tag zu konservieren. Immer noch steigen sie mit jedem Album, sogar mit jeder Single in die Charts ein. Dass sie nun aber anscheinend einen leichten Stilwechsel vollzogen haben, ist – wie so vieles aus der Metal-Szene – an mir vorbeigegangen. “another stranger me” klingt zumindest nicht mehr nach dem früheren Fantasy-Power-Metal, sondern eher irgendwie nach flacherem Hard Rock. Dass die Band nicht mehr ewig mit der gleichen Musik weitermachen wollte, sei ihr zugestanden, dieser neue Stil gefällt mir aber nicht. 4 von 10 Punkten.
55: Jan Delay feat. Udo Lindenberg – “im arsch”
Zu Jan Delay hab’ ich immer noch keine wirkliche Meinung. Manche Nummern von ihm finde ich wirklich gelungen, andere langweilen mich zu Tode. Die neue Single “im arsch” gehört eindeutig zur ersten Kategorie. Der Song ist ein depressiver Wutausbruch (wenn es sowas gibt) und die Idee, Udo Lindenberg dabei zu haben – im Video besonders sehenswert -, ist originell und überraschend passend. Zudem kopiert sich Jan Delay nicht selbst. Seine Songs sind abwechslungsreich, er entwickelt sich weiter. Auf jeden Fall eine sehr coole Nummer. 8 von 10 Punkten.
42: Herbert Grönemeyer – “lied 3 – du bist die”
Das “mensch”-Album von Grönemeyer mochte ich ja abgesehen vom Titelsong sehr. Viel Melancholie, Traurigkeit, schöne Melodien. Das, was ich von der neuen Platte bisher gehört habe, überzeugt mich nicht so wirklich. Grönemeyers Leben hat sich nunmal geändert. Positivere, schnellere Songs sind das Ergebnis. “du bist die” ist zwar nicht das Paradebeispiel für diese Entwicklung, handelt es sich doch um eine Piano-Nummer, aber so schön traurig wie damals ist der Song trotzdem nicht. Ein nachdenkliches Liebeslied, das leider nicht lang im Kopf bleibt. 5 von 10 Punkten.
40: Omarion – “ice box”
In den USA ist noch Geld für aufwändige Videos da – das merkt man auch diesem Clip des US-Emporkömmlings Omarion an. In Deutschland ist er noch relativ unbekannt, seine neue Platte soll das ändern. Produzenten wie Pharrell oder in diesem Fall Timbaland wurden engagiert. Die Nummer ist ein relativ kühler RnB-Song, der Fans des Genres sicher Spaß bereiten wird, mich aber ein wenig zu kalt lässt. Vor allem das ständige “i’m so cold, i’m so cold, i’m so cold…” nervt. 3 von 10 Punkten.
33: Rob Thomas – “little wonders”
Wer Matchbox 20 schon gehasst hat (wie beispielsweise ich), wird sicher auch die Solo-Karriere von Rob Thomas mit Grausen verfolgen. Hier ist der neueste Erguss. Der Stil ist noch poppiger als bei Matchbox 20, sein Gesang noch schwülstiger, die Melodien mit noch mehr Pathos überladen. Kuschelrock für Highschool-Kids, aber keine Musik für mich. 3 von 10 Punkten.
16: Laith Al-Deen – “keine wie du”
Endlich mal wieder ein neuer Text für die immergleiche Laith-Al-Deen-Musik. Ich kann diesen schleimigen Soul für Pur-Fans nicht wirklich ertragen. Seine Stimme klingt immer gleich, Innovation ist ein Fremdwort. Erfolg hat er immerhin: “keine wie du” dürfte sogar der erste Top-20-Hit sein, wenn ich nichts übersehen habe. Aber Massengeschmack hat ja nicht unbedingt etwas mit Qualität zu tun. 3 von 10 Punkten.
04: Linkin Park – “what i’ve done”
Eigentlich hatten Linkin Park ja angekündigt, auf der neuen Platte gaaanz anders klingeln zu wollen. Mag ja sein, aber die erste Auskopplung ist in dem Hinblick eine leise Enttäuschung. Denn so große Unterschiede zwischen “what i’ve done” und Krachern wie “in the end” fallen mir jetzt nicht so auf. Ein bisschen erwachsener klingen sie vielleicht, aber das ist nur ein Eindruck. Ist ja alles auch nicht schlimm, einen halbwegs netten Ohrwurm haben sie trotzdem erschaffen. 6 von 10 Punkten.
Die Top Ten vom 18. Mai 2007:
01 (01) DJ Ötzi & Nik P. – “ein stern (der…)”
02 (02) Nelly Furtado – “say it right”
03 (04) Beyoncé & Shakira – “beautiful life”
04 (—) Linkin Park – “what i’ve done”
05 (03) Timbaland/Nelly Furtado & Justin Timberlake – “give it …”
06 (05) Ville Valo & Natalia Avelon – “summer wine”
07 (07) Mika – “grace kelly”
08 (06) Avril Lavigne – “girlfriend”
09 (08) Pink – “dear mr. president”
10 (08) Justin Timberlake – “what goes around … comes around”
Ebenfalls erschienen, aber gefloppt:
– Dolores O’Riordan – “ordinary day”
– Lou Bega – “conchita”
die nummer 1 ist mal wieder beschämend für den deutschen musikmarkt oO
@medienblogger: Mach dir michts draus. Wie PKJ bei Platz 16 schon sagte: Massengeschmack hat nicht unbedingt etwas mit Qualität zu tun. Aber dass Linkin Park den höchsten Neueinstieg geschafft haben, beweist jawohl, dass es um unseren Musikgeschmach nicht sooo schlecht bestellt ist.
“dass es um unseren Musikgeschmach nicht sooo schlecht bestellt ist.”
wenn muff potter es lediglich auf platz 94 gebracht haben, dann wohl doch. wunderbare band mit einem unglaublich guten album!
@medienblogger: Noch beschämender ist dabei ja die Dauer mit der der Herr Ötzi bereits da oben klebt ;) Apropos Dauer, hätte gar nicht gedacht das es Lou Bega noch gibt.
dass linkin park auf platz 4 eingestiegen sind, beweist eben doch den schlechten massengeschmack. plastikschrott. totproduzierte, seelenlose scheiße.
Blind Guardian gibt’s noch? Das ist erschreckend. Ich dachte, ich hätte meine Vergangenheit wirklich hinter mir gelassen. Naja, kann William P. Corgan ja auch noch mitmachen, wenn er mit den Scorpions durch ist. Oder?
Punkt.
Da hilft auch kein U2-Look-a-like-Video …
@oliver: Natürlich sind LP nicht die beste Band der Welt (Habe ich auch nie behauptet), aber sie machen totzdem gute Musik, die besser ist als 95% des restlichen Charts-Mülls. Hättest du lieber Banaroo als höchsten Neueinsteiger? ;)
Zu LP: Ich habe das Gefühl, die covern zum 50. Mal den gleichen Song, der ebenfalls aus ihrer Feder stammt.