Chris Hülsbeck ist vielen, die in den Zeiten des C-64 und/oder Amiga groß geworden sind, ein Begriff. Er ist einer der bekanntesten Game-Soundtrack-Komponisten, von ihm stammt u.a. die Musik zu Klassikern wie “Katakis”, “Giana Sisters” und der “Turrican”-Trilogie. Um eine Edel-Version des “Turrican”-Soundtrack auf den Markt zu bringen, hat er nun die Crowdfunding-Plattform Kickstarter genutzt und schon nach kurzer Zeit rund 100.000 US-Dollar eingesammelt. Für das ZDF-Blog “Hyperland” habe ich das aufgeschrieben und mir die Frage gestellt, ob Hülsbecks Beispiel exemplarisch sein kann. Hülsbeck kommt auch selbst zu Wort, doch für das komplette Interview, das ich mit ihm per Mail geführt habe, war kein Platz. Damit es nicht verloren geht, veröffentliche ich es nun an dieser Stelle:
Als ich ein paar Tage nach Start von Deinem Kickstarter-Projekt erfuhr, war mein Gedanke: Wow, 75.000 Dollar – ein ambitioniertes Ziel. Wie sahen Deine Erwartungen aus? Hast Du daran geglaubt, dass die 75.000 Dollar schon nach so kurzer Zeit erreicht werden können?
Hülsbeck: Das Ziel war ambitioniert, weil ich wirklich gerne ein ganz besonderes Multi-CD-Album erstellen wollte. Hätte ich niedriger angesetzt, dann wäre vielleicht am Ende das Budget fuer die 3-4 CDs nicht möglich gewesen, weil den Fans das Ziel eines ganz besonderen Produkts gefehlt hätte. Ich habe dabei aber auch einiges riskiert, weil ich mich bei wenig Interesse seitens der Fans ganz schön hätte blamieren können.
Wie bist Du überhaupt auf die Idee gekommen, die Turrican-Anthology per Crowdfunding zu finanzieren? Hast Du keine Plattenfirma überzeugen können? Oder wolltest Du einfach ausprobieren, ob sowas heute auch ohne Tonträgerindustrie funktioniert?
Hülsbeck: Ich habe meine Alben schon immer selbst produziert, aber heutzutage und bei der Größe des Projekts wäre eine Eigenfinanzierung einfach nicht möglich gewesen. Dann habe ich letztes Jahr erstmals von Crowdfunding erfahren, als ein Bekannter von mir sein eigenes Album über Kickstarter erfolgreich finanziert hatte. Da wusste ich sofort, dass dies eine Moeglichkeit ist und wahrscheinlich auch die einzige für ein solches Projekt.
Hast Du Informationen darüber, woher Deine Spender stammen? Überwiegend aus Deutschland?
Hülsbeck: Ja, man bekommt detailierte Listen und Statistiken und natürlich kommen die meisten meiner Fans aus Deutschland, aber ich hatte auch Unterstützer aus vielen anderen Ländern, wie zum Beispiel sogar aus Saudi-Arabien.
Du hast den Vorteil, dass Du seit alten C-64er-Zeiten Fans hast, die deine Karriere verfolgt haben und auch heute noch deine Musik lieben. Denkst Du, dass solche Crowdfunding-Projekte nur etwas für Künstler mit einer gewissen Fangemeinde sind? Oder ist die Methode auch etwas für Nachwuchs-Acts?
Hülsbeck: Eine Fangemeinde hilft sicher sehr, um eine Kampagne erfolgreich durchzuführen. Aber es gibt auch kleinere Projekte, die durch ein gutes Konzept und überzeugende Beschreibung Interesse bei der Crowdfunding-Community wecken und erfolgreich verlaufen können. Dabei sollten Newcomer halt nicht gleich nach den Sternen greifen und gute, aber im Rahmen des Budgets liegende Goodies bieten.
In Deutschland tobt derzeit ja ein heftiger Streit um das Urheberrecht in Zeiten des Internets. Die einen sagen, das Urheberrecht müsse mindestens so bleiben wie es ist, wenn nicht sogar verschärft werden und alle, die es im Netz brechen, müssen bestraft werden. Die anderen sagen, es müsse abgeschafft, aber mindestens liberalisiert werden, da es nicht mehr zeitgemäß und durchsetzbar ist. Wie ist Deine Meinung aus der Künstler-Perspektive? Verspürst Du negative Gedanken gegenüber Leuten, die deine Musik z.B. bei Youtube hören, anstatt sie auf CD oder als Download zu kaufen?
Hülsbeck: Für mich als Künstler ist das Urheberrecht durchaus wichtig und ein komplexes Thema. Aber es ist im Zeitalter des Internets veraltet und unflexibel und es sollte nicht so angewendet werden, dass Nutzer automatisch kriminalisiert werden. Hier sind neue und zeitgemäße Gesetze und Regeln gefragt, die dem Urheber einen Schutz bieten und dem Konsumenten die Möglichkeit geben, die Medien möglichst uneingeschränkt zu nutzen.
Du hast zwar den Vorteil, dass Du als Games-Soundtrack-Komponist nicht direkt auf Musik-Verkäufe angewiesen bist, dennoch schadet Games-Piraterie letztlich ja auch Dir, wenn Budgets kleiner werden oder Projekte nicht finanziert werden können. Wie ist Deine Einschätzung für die Zukunft der Unterhaltungsbranche: Lassen sich in Zukunft noch dieselben Beträge mit Games, Musik, Filmen verdienen wie bisher? Bietet das Netz vielleicht sogar eher Chancen als Risiken, wenn die Industrie sich auf die Konsumenten einlässt und ihnen bessere Tools und Dienste anbietet?
Hülsbeck: Ich denke, wenn man den Kunden und Fans einen fairen Deal gibt, dann wird auch weniger raubkopiert. Es ist immer noch ein großer Markt und die Verbindung zwischen Entwicklern und den Fans wird immer direkter, so dass nicht mehr soviel vom Gewinn an Distributoren geht. Somit hat das Internet auch völlig neue Möglichkeiten geschaffen, wie Unterhaltung produziert und an die Endkunden geliefert werden kann.
Zurück zu Deinem Projekt: Du hast inzwischen fast 100.000 US-Dollar eingesammelt und es läuft ja noch ein paar Wochen. Was passiert mit der Summe, die über dem Ziel von 75.000 liegt?
Hülsbeck: Das Album wird jetzt schon sicher um eine weitere CD auf insgesamt 4 Scheiben ergänzt, um den Fans noch mehr Musik aus den Spielen bieten zu können. Damit wird das Projekt dann auch praktisch komplett sein. Falls noch viel mehr Budget zusammen kommen sollte, dann habe ich noch ein paar Ideen im Hinterkopf, wie man das Projekt weiter aufwerten könnte. Profit war nicht der Hintergrund für die Aktion, sondern eine sauber durchfinanzierte Produktion, die aber natürlich auch meine Arbeitszeit entlohnt und ermöglicht, das Projekt genau so zu gestalten, wie ich es mir vorstelle.
Und wie lautet dein Fazit aus der ganzen Aktion? Ist Kickstarter ein Modell, das Du in Zukunft vielleicht auch für weitere Projekte nutzt? Kann es vielleicht sogar ein wichtiges Standbein für dein berufliches Einkommen werden?
Hülsbeck: Ich habe noch ein paar Ideen, was man eventuell in der Art machen könnte, aber im Moment konzentriere ich mich natürlich voll darauf, dieses Projekt so gut wie möglich in dem anvisierten Zeitraum umzusetzen und dann sehen wir weiter. Es war ein grandioses Erlebnis, wie die Fans das Projekt unterstützt haben und ich bin sehr dankbar. Es wäre natürlich klasse, wenn ich nochmal irgendwann die Chance habe so etwas zu machen.