Acht Wochen Rückstand in Sachen Charts-Kritik. Ich könnte ja jetzt einfach die Zwischenwochen weglassen und in der aktuellen Woche wieder einsetzen, aber ich bin ja Perfektionist, der keine Lücken duldet. Fangen wir also mit der hoffentlich diesmal auch klappenden Aufholjagd bei den Chart-New-Entries vom 30. Mai 2005 an, einer Woche, in der es allein 13 Einsteiger in die Top 50 gab:
93: Potatoheadz feat. Lizzy Pattinson – “narcotic” / Video
Jetzt ist die Dance-Cover-Mafia also von den 80ern in die 90er gehüpft. “narcotic” stammt im Original von der zu Recht vergessenen Kapelle Liquido, war damals ein Top-3-Hit. Die Potatoheadz-Version stammt schon aus dem Jahr 2004, ist nun erst auf CD erschienen und dadurch in die Charts eingestiegen. Die Lyrics werden von einer gewissen Lizzy Pattenson gesungen, die wohl schon in anderen Dance-Projekten zugegen war. Die Nummer ist nicht so megapeinlich wie anderes aus dem Genre, allerdings auch kein großer Wurf. 4 von 10 Punkten.
85: Klee – “tausendfach” / Video
Das Klee-Album gehörte zu meinen absoluten Lieblingsplatten 2004 (ein wunder Punkt, den ich da anspreche: Ist es eigentlich zu peinlich, im Juli 2005 noch seine zehn Lieblingsplatten des Jahres 2004 zu enthüllen?). Zurück zu Klee: Album super, Konzert super, ich mag Klee. “tausendfach” gehört zu den Highlights der Platte, ist ein leicht melancholischer Sommersong, kommt also zu einem perfekten Zeiptunkt als Single heraus. Natürlich ist der Song nicht übermäßig originell, aber wunderschön auf jeden Fall. 8 von 10 Punkten.
81: Erkan & Stefan / Captain Sensible – “wot (i say captain)” / Video
Der Song zum Kackfilm. Erkan & Stafen covern den 80er-Trash-Hit “wot” von Captain Sensible. Der hat sich sogar breitschlagen lassen, wieder mit dabei zu sein. Produziert wurde der Müll auch noch von DJ Tomekk, dem kein verdienter Euro zu peinlich ist. Wenn Erkan & Stefan nicht dabei wären, hätte man diskutieren können, ob der Song hörbar ist. So allerdings… 1 von 10 Punkten.
45: Ben – “manchmal” / Video
Wie man Melancholie versprüht, die nicht beim Hörer ankommt, beweist uns hier der junge Herr Ben, seineszeichens mittlerweile hauptberuflich Im-Fernsehen-Herumlungerer. “manchmal” ist ein seichtes Popnümmerchen, das nicht weiß, wo es hin will. 3 von 10 Punkten.
38: Destiny’s Child – “girl” / Video
Mit den Damen von Destiny’s Child geht es nun ja zu Ende. Glücklicherweise, wenn man sich die fehlende Kreativität der letzten Songs vor Augen führt. Auch “girl” reiht sich da ohne Probleme ein. Gesanglich weiterhin von guter Qualität fehlt einfach der Kick. Plätscher, plätscher, ohne Höhepunkte. 3 von 10 Punkten.
36: Wir sind Helden – “nur ein wort” / Video
Die Begründer der Neuer-Deutscher-Pop-Welle. Das erste Wir-sind-Helden-Album gefiel mir ja dann doch ganz gut. “gekommen um zu bleiben”, die erste Single der zweiten Platte, hat die guten Eindrücke ziemlich zunichte gemacht. Der song hat genervt. Umso schöner, dass mit “nur ein wort” nun ein viel besserer Song erscheint. Er ist etwas melancholisch, sehr eingängig und nicht so Holzhammer-mäßig. Zwar merkt man im Vergleich zu Bands wie Tocotronic, Tomte, Kante, etc. die gewisse musikalische Beschränktheit, nett ist der Song aber absolut. 7 von 10 Punkten.
35: In Extremo – “nur ihr allein” / Video
Wer sorgt eigentlich immer dafür, dass diese seltsame Band in die Charts einsteigt? Böhse-Onkelz-Fans? Man weiß es nicht. Mit “nur ihr allein” hat sich In Extremo eine Art eigene Hymne geschaffen: “wir sind verehrt und angespien” tönt es zu einer absolut ohrwurmigen Melodie. Die rauchige Stimme sorgt zwar für ein schlechtes Gefühl beim Hörer, die Drums sind zu monoton, aber besser als so manche Pseudo-kredibile Musik ist dieser bizarre, etwas monotone Mittelalter-Rocksong leider. Ich hätte ihn lieber richtig scheiße gefunden. 4 von 10 Punkten.
33: Oasis – “lyla” / Video
Wahrscheinlich lege ich mich jetzt wieder mit den Brigaden von Oasis-Fans an, aber meine Meinung bleibt: die neue Oasis-Platte ist leider mittelmäßig. Dabei fing es so gut an. Ich hörte “lyla” zum ersten Mal, war begeistert, hoffte auf eine stilvolle Rückkehr der Britpop-Altvorderen. “lyla” klingt wie Oasis zu ihren besten Zeiten. Der Song geht nach vorn, liefert eine perfekte Melodie, wird nicht langweilig. Allerfeinste Musik eben. 8 von 10 Punkten.
21: Daddy Yankee – “gasolina” / Video
Nachdem in der Vorwoche die Papa-A.P.-Version von “gasolina” die deutschen Charts erreicht hat, kommt nun Daddy Yankees Original. Im Vergleich zur anderen Version fehlt Daddy Yankee aber der nötige Drive. Sein “gasolina” klingt zu langweilig, seltsam abgehackt und altmodisch. 3 von 10 Punkten.
19: K-Maro – “crazy” / Video
Der Franzose hatte mit “femme like u” gerade einen großen Hit, nun kommt der Nachfolger “crazy”, ein Mix aus Gangster- und Kuschelrap mit weiblichem RnB-Gesang. Das Potenzial von “femme like u” hat “crazy” eindeutig nicht, dazu ist der Song zu wenig abwechslungsreich, zu viel Schema F. 2 von 10 Punkten.
16: Rob Thomas – “lonely no more” / Video
Den seltsamen Hype um Rob Thomas, Ex-Sänger von Matchbox Twenty, kann ich mir nur mit seinem Aussehen erklären. An der Musik kann’s nicht liegen. “lonely no more” klingt wie 08/15-Boyband-Musik von einem Boy ohne Band. Leichte Latino-Einflüsse sind zu hören, von Rock keine Spur mehr. Der Soundtrack für den Teenie-Mädchen-Sommer. Mehr nicht. 2 von 10 Punkten.
14: The Game feat. 50 Cent – “hate it or love it” / Video
Was macht ein erfolgreicher Rap-Produzent, wenn er einen neuen Act bekannt machen will? Er stellt ihm einen bekannten Act zur Seite. In diesem Fall will Dr. Dre seine neue Entdeckung The Game nach vorn bringen. Also hat er sich den omni-präsenten 50 Cent geschnappt und lässt die beiden belanglose Reime reimen. Und wieder einmal frage ich mich: Wo ist die Melodie unterwegs abgeblieben? 2 von 10 Punkten.
13: Crazy Frog – “axel f” / Video
Erst hat der Jamba- bzw. Jamster-Schrott England erobert, mit ein wenig Verzögerung dann auch Deutschland. Der beklopte Frosch, wie er hierzulande sinnvollerweise hieß, brabbelt irgendwelches Babysprech-Zeug, dazu wird Harold Faltermeyers “axel f” auf einem alten Computer nachgespielt und fertig ist der überflüssigste Hit, den die Welt gesehen hat. 0 von 10 Punkten.
10: Shakira feat. Alejandro Sanz – “la tortura” / Video
Bevor im Herbst ihr Album “oral fixation 2” auf englisch erscheint, ist es als “fijacion oral 1” bereits auf spanisch erschienen und mischt die weltweiten Charts auf. Für die Single “la tortura” hat sie sich den spanischen Star Alejandro Sanz zur Hilfe geholt. Der nervt mit seiner rauchigen Stimme aber eher. Allerdings wäre das Liedchen auch ohne ihn nicht viel besser. Belangloser Latino-Pop. 2 von 10 Punkten.
8: The Black Eyed Peas – “don’t phunk with my heart” / Video
Die Black Eyed Peas haben nach ihrem Stilwechsel ja einiges an Kreidibilität eingebüßt. Dafür kam der Erfolg. Der mittlerweile übliche Mix aus ein paar Raps, dazu eine Ohrwurm-Melodie, ein paar “Gags”, fertig ist der Black-Eyed-Peas-Hit. Ziemlich nervig, dieses “don’t phunk with my heart”. 3 von 10 Punkten.
1: Akon – “lonely” / Video
Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Textes klebt “lonely” mittlerweile seit acht Wochen an der Spitze der deutschen Charts. Peinlich. Akon verfuscht einen 44 Jahre alten Song von Bobby Vinton mit einer Pieps-Stimme, die man seit dem Techno-Ausverkauf vor 10 Jahren nicht mehr zu hören gehofft hatte. Leider falsch gedacht. Dazu die völlig gelangweilten Akon-Raps. Schlimm. 1 von 10 Punkten.
Die Top 5 vom 23. Mai 2005:
1 (-) Akon – “lonely”
2 (3) Joana Zimmer – “i believeâ€
3 (1) Chipz – “cowboyâ€
4 (7) 2Pac – “ghetto gospel”
5 (5) Ich + Ich – “du erinnerst mich an liebeâ€
Ebenfalls erschienen, aber gefloppt:
– Annika – “blonde mädchen weinen nicht”
– Holly Golightly – “on the fire”
– Juliette & The Licks – “you’re speaking my language”
– Mysterio – “i was made for lovin’ you”
– Sepp mit Stixi und Sonja – “eviva espana”
Der Anfang ist also gemacht. Hofft mit mir, dass die Charts-Kritiken-Schreib-Motivation anhält. Die nächste Woche gibt’s auf jeden Fall im Laufe des Dienstags. versprochen.