Und da ich es momentan ernst meine mit meiner Charts-Aufholjagd und endlich wieder über die wirklich aktuellen New Entries schreiben will, kommen hier auch schon die Neueinsteiger der deutschen Single-Charts vom 19. September 2005:
92: Blackmore’s Night – “i’ll be there (just call my name)” / Video nicht verfügbar
Der alte Deep-Purple-Recke, der seit einigen Jahren mit seiner Frau dieses Projekt betreibt, in dem er leicht mittelalterlich angehauchten Classic-Rock spielt, steigt damit nun zum ersten Mal in die deutschen Single-Charts ein. Der Song hat eine verträgliche Melodie, Frau Night singt ordentlich, aber Blackmores Gitarren-Riffs wirken etwas sehr deplatziert. 3 von 10 Punkten.
88: Lucie Silvas – “breathe in” / Video nicht verfügbar
Lucie Silvas war mir im Mai bei einer Chart-Kritik positiv mit einer netten Piano-Ballade aufgefallen. Nun ist sie zum zweiten Mal in den deutschen Charts. Um es vorweg zu sagen: “breathe in” kann den ersten Hit nicht wirklich erreichen. Der Song klingt nach dem perfekten Soundtrack einer Teenie-Serie. Die Protagonisten haben sich endlich bekommen, küssen sich und dazu ertönt Lucie Silvas. “breathe in” ist relativ belangloser Pop, der auf Dauer etwas eintönig klingt, aber insgesamt ganz okay ist. 5 von 10 Punkten.
76: Heiko & Maiko – “sonnenschein” / Video nicht verfügbar
Nach dem seltsamen Autobahn-Stück im Februar kommt nun die zweite Charts-Single der beiden Dance-Radio-Moderatoren, deren Sendung beim mdr-Sender Jump läuft. Wieder eine eigentlich recht nette, relaxte Melodie – und wieder wird der Eindruck durch die tiefe, männliche Stimme zerstört, die stumpfe Sätze wie “aufgetankt zu voller kraft – spür ich das leben, fabelhaft. was gestern war, ist mir egal – die welt ist nicht nur digital”. Seltsam. 2 von 10 Punkten.
69: Vinylshakerz – “club tropicana” / Video nicht verfügbar
Die erste Sekunde dieses Stücks klingt wie eine Drohung: “The Vinylshakerz are back to rock the entire nation”. Man möchte ihnen entgegen rufen: “Wer hat Euch denn bestellt?”. Was danach kommt ist eine schlimme Verunstaltung des 82er-Wham-Klassikers “club tropicana”, bei der man sich auch noch schamlos die “flat beat”-Beats von Mr. Oizo “geliehen” hat. Und wieder einmal rufe ich in die Leere: Bitte keine flachen Dance-Coverversionen mehr! 1 von 10 Punkten.
68: Helloween – “mrs. god” / Video
Dass ich über diese Band nochmal etwas schreiben darf… Helloween war DIE Band meiner Pubertät. Damals habe ich alles aufgesogen, was an melodischem Power-Metal aus Deutschland kam. Blind Guardian, Rage, Gamma Ray und eben vor allem Helloween. Die “Keeper of the seven Keys”-Platten waren das Großartigste, was ich mir vorstellen konnte, ich kaufte mir jede Rarität, die ich in die Finger bekam. Dieselbe Single bis zu vier Mal, nur weil es sie neben der schwarzen auch in gelb, mit Poster und als eckiges Shape (eine Tradition, die durch CDs leider verloren ging) gab. Nun, viele viele Jahre später, schreibt Helloween die “Keeper of the seven Keys”-Saga weiter, was in der Metal-Community nicht nur positive Resonanz erzeugt. Die beiden Alben von damals waren auch einfach zu legendär und vom ursprünglichen Line-Up der Band sind auch nur noch die Herren Weikath und Großkopf dabei. Die erste neue Single, “mrs. god”, ist auch nicht so richtig mit den Hits von damals vergleichbar. Der Stil wurde etwas modernisiert, etwas Härte ging verloren, nur die hymnenhaften Refrains sind übrig geblieben. So bleibt solider Metal-Hardrock, der die Vergangenheit zwar nicht verrät, ihr aber auch nichts Wesentliches hinzuzufügen hat. Von mir gibt’s (von meiner Geschichte mit der Band beeinflusste) 6 von 10 Punkten.
65: Coldplay – “fix you” / Video
Man mag über das aktuelle Coldplay-Album denken, was man will. Meiner Meinung nach ist es zwar nicht die angekündigte große Weiterentwicklungs-/Richtungsänderungs-Platte geworden, aber ein paar überaus schöne Popsongs finden sich trotzdem darauf. Und “fix you” gehört definitiv dazu. Zwar fängt der Song nicht gerade spektakulär an und klingt, als hätte die Band einen eigenen älteren Song gecovert, doch dann, nach ziemlich genau der Hälfte des Stücks setzt eine E-Gitarre ein, der Song gewinnt an Tempo und erzeugt diese Gänsehaut, die Coldplay so gern erzeugen. Und vor allem diese zweite Hälfte ist es, die “fix you” großartig macht. 8 von 10 Punkten.
53: Simple Minds – “home” / Video
Etwas mehr als 20 Jahre nach der ersten Hit-Single gibt es ein Lebenszeichen der Simple Minds. “belfast child”, “don’t you” – es gibt einige Songs der Bandgeschichte, die auch zur Popgeschichte gehören. “home” wird sich dort zwar keinen Platz ergattern, doch gefällt mir der Song überraschend gut. Solider, etwas altmodisch klingender Pop, an dem nur der Refrain etwas blöd klingt. Er besteht nämlich ausschließlich aus dem sich andauernd wiederholenden Wort “home”. Insgesamt aber dennoch 6 von 10 Punkten.
50: Simon Webbe – “lay your hands” / Video
Eine weitere Folge in der ewigen Serie Boyband-Mitglieder-auf-Solopfaden. Simon Webbe stammt wie Kollege Lee Ryan aus der Boyband Blue. Sein Solo-Debüt “lay your hands” klingt etwas nach der Lighthouse-Family, bleibt aber insgesamt zu sehr eine typische Boyband-Pop-Schmalz-Single. Und dann gibt’s da noch diese nervige hochgepitchte Stimme, die andauernd etwas von “do what you do” faselt und den Song ziemlich ruiniert. 3 von 10 Punkten.
27: Farin Urlaub – “sonne” / Video
Herr Urlaub weiß auch, dass er so viele Single herausbringen kann, wie er will. Sie werden alle zum Erfolg. Schließlich gibt es immer noch genügend Ärzte-Fans, die auch Urlaub-Platten kaufen. “sonne” ist nach “dusche” und “porzellan” die dritte Single seines aktuellen Albums. Der Song ist ein ziemlich harter Liebeskummer-Rocksong, in dem der Sonne vorgeworfen wird, dass sie scheint, als wäre nichts geschehen. Zwar ist es wie gesagt die dritte Single, doch ausschließliche Kommerz-Gedanken kann man Herrn Urlaub wohl nicht vorwerfen, denn dann hätte er einen anderen, eingängigeren, leichter bekömmlichen Song auskoppeln müssen. “sonne” ist aber genau das nicht. Das Stück klingt eckig, anstrengend und dadurch ganz gut. 6 von 10 Punkten.
25: Edguy – “superheroes” / Video nicht verfügbar
Schöner Zufall, dass in der Woche, in der Helloween mit einer neuen Single in die Charts einsteigen auch Edguy dabei ist. Die Band ist im musikalischen Sinne eine der inoffiziellen Helloween-Nachfolge-Bands und dürfte mit ihrem melodischem Power-Metal die derzeit erfolgreichste deutsche Metal-Band sein. “superheroes” klingt allerdings wie auch schon das Helloween-Stück nicht so altmodisch Power-metalig, sondern eher altmodisch Hardrockig. Die Geschwindigkeit des Stücks ist nicht allzu hoch, der Härtegrad ebenfalls nicht. Im Vergleich zu Helloween ist es etwas schwächer und bekommt 4 von 10 Punkten.
17: Mia-Sophie – “fruchtalarm” / Video
Da ist sie, die Nervensäge aus der Froop-Werbung. Man hofft für die Enkelin des Melitta-Manns, dass sie nicht so verheizt wird wie die Schnappi-Sängerin. Kurz zum Musikalischen: Dem “fruchtalarm”-Gegröle werden stumpfe, prä-historische Beats hinzugefügt, eine Melodie, die an “it’s cool man” erinnert und fertig ist das Kinderlied, zu dem alle Dorfdeppen am Wochenende tanzen. Gruseligst. 0 von 10 Punkten.
16: Revolverheld – “die welt steht still” / Video
Erwähnenswerte Geschichte: Eine Band namens Tsunami Killers benennt sich in Revolverheld um, weil Tsunami ja irgendwie nicht mehr geht, wenn man Platten verkaufen will, wird dann durch geschickte PR von Sony BMG so gepusht, dass sie andauernd in der “Bravo” auftaucht und schon hat sie Erfolg. “die welt steht still” klingt ein bisschen wie Oomph, nur softer. Eben genau die Musik, die Teenies als Rock empfinden und dann kaufen. Insgesamt aber ein erträglicher Popsong mit netter Melodie. 5 von 10 Punkten.
14: Chipz – “captain hook” / Video
Super RTLs Finest are back: Die holländischen Chipz mit einem weiteren Plastik-Pop-Hit, bei dem man nichts außer Grusel empfindet. Natürlich fehlen auch die obligatorischen “nananana”-Textzeilen nicht. 0 von 10 Punkten.
10: Him – “wings of a butterfly” / Video
Eine Woche nach The Rasmus sind auch Him wieder da. Das Taschengeld der Gothic-Kids hat aber anscheinend gereicht, um Him eine Top-Ten-Platzierung zu bescheren. Doch wie The Rasmus scheinen auch Him ein wenig ihre Inspiration verloren zu haben. “wings of a butterfly” klingt noch weniger nach Gothic als vorher, eher nach Classic-Hardrock. Und Ville Valos immergleicher Gesang nervt auch zusehends. Eine schwache Single. 3 von 10 Punkten.
7. Bon Jovi – “have a nice day” / Video nicht verfügbar
Welch ein Phänomen. Die Opas von Bon Jovi steigen auf Platz 7 der Single-Charts ein. Die sind einfach nicht totzukriegen. Und das, obwohl sie sich seit den 80ern (“livin’ on a prayer”, etc.) keinen Deut weiterentwickelt haben. Dieselbe Rocksoße, die auch Bryan Adams in ähnlicher Form seit 20 Jahren immer wieder veröffentlicht. Da zeigt sich dann mal wieder, dass eine ältere Zielgruppe, die noch CDs kauft und nicht alles aus dem Netz lädt, durchaus Vorteile hat. Die treuen Fans haben die Single auf Platz 7 gebracht. Besser macht das den Song aber trotzdem nicht. 2 von 10 Punkten.
2: Pussycat Dolls – “don’t cha” / Video
Tja. Und dann das. Ich kann das ja irgendwie nachvollziehen, dass eine Bande perfekt zusammengecasteter, sexy angezogener Frauen mit tanzbarer RnB-Musik so erfolgreich ist. Aber: Was ist denn so toll an dem Song? Den gab es in ähnlicher Form doch schon 743 mal vorher, oder? Einen Punkt mehr als für Bon Jovi gibt’s aber trotzdem. Schon aus Prinzip. 3 von 10 Punkten.
Die Top Ten vom 19. September 2005:
01 (01) Tokio Hotel – “durch den monsunâ€
02 (–) Pussycat Dolls – “don’t cha”
03 (03) Marc Terenzi – “love to be loved by you”
04 (02) Die Firma – “die eine 2005?
05 (04) Juanes – “la camisa negraâ€
06 (06) Rihanna – “pon de replay”
07 (–) Bon Jovi – “have a nice day”
08 (05) James Blunt – “you’re beautiful”
09 (09) Seeed – “aufstehn!”
10 (–) Him – “wings of a butterfly”
Ebenfalls erschienen, aber gefloppt:
– Afu-Ra feat. Gentleman – “why cry”
– Elbow – “forget myself”
– Fun Lovin Criminals – “mi corazon”
– Kai Kante – “ahoi, ich winke”
– Mando Diao – “you can’t steal my love”
– The White Stripes – “my doorbell”
– Thomas D. – “die rede des häuptling seattle”