So. Während meine Liebste nun einen Tag nach mir das Tomte-Konzert in Düsseldorf erleben darf, kommt hier mein Konzertbericht zum gestrigen Heidelberg-Auftritt.
Der Abend begann mit folgendem Dialog:
popkulturjunkie: Schau mal in die Mange. Siehst Du ein Gesicht, das dir auf Anhieb unsympathisch ist?
popkulturjunkies Begleiterin: Nö.
popkulturjunkie: Und als Du am Donnerstag in die Depeche-Mode-Menge geblickt hast, hast Du da ein Gesicht gesehen, das dir auf Anhieb sympathisch war?
popkulturjunkies Begleiterin: Nö.
Dieser kleine Dialog beschreibt perfekt die Tatsache, dass ich mich an diesem Abend im Karlstorbahnhof sofort wohl gefühlt habe. Klar, das Publikum war sehr jung, ziemlich abiturientisch/studentisch, teenie-esk. Aber ist es nicht großartig, wenn kleine Mädchen nicht auf den Charts-Scheiß reinfallen, sondern sich mit Musik beschäftigen und lieber Thees Uhlmann anhimmeln, statt den “süßen Bill”? Sicher waren auch ein paar dabei, die nur hingegangen sind, weil Tomte gerade heißer Scheiß ist, aber der überwiegenden Mehrheit sah man an, dass sie einfach die Musik lieben. Und das zählt.
Zur Musik: Als Vorband war die kalifornische Sub-Pop-Hoffnung Rogue Wave engagiert, die man wohl in die Emo-Schublade stecken kann. Leicht melancholischer Indie-Pop. Die Musik war sehr okay. Mir fehlten große Melodien für eine noch bessere Meinung, aber ein genauerer Blick auf die Musik der Band lohnt sicher.
Dann, so gegen halb 11, kamen endlich die fünf Herren von Tomte auf die Bühne und ein legendärer Abend begann. Mit den beiden kraftvoll vorgetragenen “von gott verbrüht” und “ich sang die ganze zeit von dir” gelang ein perfekter Start, davor und dazwischen gab es ausufernde Ansagen von Uhlmann, die darauf deuten ließen, dass der Abend neben toller Musik auch unterhaltsame Comedy bieten sollte. Und genau so kam es. Uhlmann legte sich mit ein paar ständig pogenden, pöblenden Teenies an, drohte mit den “Tomte-Hools”, die ab und zu auch von Fußballvereinen angefordert würden, fragte, ob man jetzt gleich zum Arschloch geworden sei, nur weil man mal auf dem Cover des “musikexpress” war, scherzte mit seiner Rotwein-Abhängigkeit und erzählte Anekdoten aus der Dorfpunkzeit, als man besoffen im Pauli-Stadion feierte.
Im Verlauf des Sets (Setlist siehe hier) gab es insgesamt 7 der 10 Songs der neuen Platte “buchstaben über der stadt“, 7 vom Vorgänger-Album “hinter all diesen fenstern” und drei vom 2000er-Album “eine sonnige nacht“. Gerade diese älteren, meiner Meinung nach deutlich schwächeren, Songs wie “korn & sprite” zeigen immer wieder, was für eine wahnsinnige Entwicklung Tomte hinter sich haben, wie gut sie geworden sind. Insgesamt war es ein perfeker Mix aus Alt und Neu mit erfreulich vielen neuen Songs, die das Publikum theoretisch ja noch gar nicht kennen konnte. Uhlmann: “Wir können hier nicht die Gassenhauer von vor 80 Jahren spielen, sondern wir müssen uns auch selber anbocken.” Dabei war es auch ziemlich egal, dass er beim einen oder anderen Lied (das grandiose “walter & gail”, z.B.) noch ein paar Textschwächen offenbarte. Sowieso, die neuen Lieder: das erwähnte “walter & gail”, “new york” oder “die geigen bei wonderful world” zeigten, dass die am Freitag erscheinende Platte sich nicht hinter dem legendären Vorgänger verstecken braucht. Am Endes des Konzertes kam Uhlmann wie immer allein zurück auf die Bühne und trug seine wunderschöne Akustik-Version von “das war ich” vor. Insgesamt waren die 110 Minuten Tomte also absolut großartig, Tomte sind auch und gerade im Jahr 2006 eine perfekte Liveband, die sich jeder, der Musik liebt, anschauen sollte.
Wer die kleine Pre-Album-Release-Tour verpasst hat, geht also gefälligst ab März zur “richtigen” Tour. Und vorher gibt’s einen Bericht in einer der kommenden “Tracks”-Ausgaben bei arte, der an diesem Tag und Abend in Heidelberg gedreht wurde. Und vorher, am Donnerstag (1. Februar) sind Tomte bei “TRL” auf MTV zu Gast, reden und performen. Und für alle, die bei diesem Gedanken sofort “Ausverkauf” denken, folgende Worte von Uhlmann: “Auch wenn wir übermorgen bei ‘TRL’ sind – was total witzig wird, man muss ja auch mal an solchen Leuten riechen – kann ich Euch zu 95 % versprechen, dass diese Band Euch niemals betrügen wird.”