skandal im medienjournalismus. 0
Der Blog-Eintrag des Tages kommt diesmal von Peer Schader. Eindeutig.
Der Blog-Eintrag des Tages kommt diesmal von Peer Schader. Eindeutig.
Normalerweise wäre ich zu diesem Konzert ja wahrscheinlich nicht gegangen. Ich fand einige Pulp-Stücke von damals wirklich gut, das neue Jarvis-Solo-Album fand ich auch recht gefällig, aber der große Fan war ich nicht. Da die Liebste aber so unbedingt den von ihr zutiefst verehrten Engländer sehen wollte, ging ich halt mit. Umso überraschter und erstaunter war ich dann im Verlauf des Abends. Jarvis Cocker ist nämlich ein Entertainer vor dem Herrn. Obwohl er eher so aussieht, als würde er sich hinter seiner dicken Brille verstecken und lieber den ganzen Tag vor sich hin philosphoieren und keinem Menschen begegnen, verwandelt er sich auf der Bühne zum Tier: Tänzelt herum, bringt die Massen mit seinen Bewegungen zum Toben, erzählt zwischen den Songs kleine Geschichtchen und Amüsantes – extrem unterhaltsam das alles. Selbst für das leibliche Wohl der Zuschauerschaft sorgte Cocker, schenkte kleine Aufmerksamkeiten in die Menge: eine Mandarine, ein paar Trauben, einen extra ausgepackten Lolli, ein Bier, eine Zigarette. Da lohnt es sich auch mal monetär, in einer der ersten Reihen zu stehen.
Aber auch musikalisch war der Abend rundherum gelungen. Die Songs seiner neuen Platte funktionieren live hervorragend, das Konzert begann sofort mit meinem Lieblingssong des Albums “fat children”. Am meisten gingen Publikum und Künstler übrigens bei “black magic” ab, dem gleichzeitig letzten Song vor der Zugabe. Geradezu ekstatisch verausgabte sich Cocker beim Performen des Songs. Bewundernswert konsequent war Jarvis bei der Auswahl seiner Songs für das Konzert. Kein einziger alter Pulp-Klassiker, kein Song aus seinem seltsamen Relaxed-Muscle-Projekt, ausschließlich aktuelle Stücke. Das komplette Album (das ich mir jetzt übrigens sehr viel öfter anhören werde) wurde gespielt, dazu die B-Seite der Single und als Abschluss eine Coverversion eines Songs, den ich nicht erkannte. Und so blieb das Einzige, das an diesem überaus gelungenen Abend aus den alten Zeiten übrig blieb, folgendes:(Fotos dankenswerterweise zur Verfügung gestellt von Franzi)
Werte Kollegen von “New Business”. Zeitunglesen hilft manchmal. Wenn man über Medien berichtet, ohnehin. Denn hätten Sie das getan, dann wäre Ihnen sicher vor 14 Tagen folgendes aufgefallen:
“Dieter Gorny, 53, ehemals Rock-Beauftragter von Wuppertal und Viva-Gründer, hat dem Musikfernsehen endgültig den Rücken gekehrt. Wie der Medienfachdienst Funkkorrespondenz meldet, hat Gorny seinen Managerposten beim Musiksender MTV am 31. Dezember 2006 aufgegeben und arbeitet jetzt als stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der deutschen Phonoverbände in Berlin. Darüber hinaus wird der 53-Jährige neuer Vorsitzender des Aufsichtsrats der Filmstiftung NRW, die einen der größten Film- und TV-Fördertöpfe in der Bundesrepublik verwaltet.” (“taz” vom 13. Januar)
Oder auch das:
“Dieter Gorny · Der Viva-Gründer hat seinen Managerposten beim Musiksender MTV (Viacom) zum 31. Dezember 2006 aufgegeben. Das berichtet der Medienfachdienst Funkkorrespondenz. Gorny arbeitet jetzt als stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der deutschen Phonoverbände in Berlin.” (“Frankfurter Rundschau” vom 15. Januar – leider nicht online verfügbar)
Das Ganze basierte auf einer dpa-Meldung, wird also auch noch in zahlreichen anderen Zeitungen erschienen sein. Wenn Sie schon die “Funkkorrespondenz” nicht lesen, hätte es Ihnen dennoch als Medienjournalist auffallen müssen. Und Sie hätten gewusst, dass Herr Gorny weg von MTV ist und sogar, wohin er geht. Und müssten nicht heute (14 Tage später) folgende Pressemitteilung veröffentlichen:
“Viva-Gründer Dieter Gorny verlässt den MTV-Konzern
Hamburg (ots) – Dieter Gorny, 53, zuletzt Executive Vice President bei MTV Networks Europe, verlässt den TV-Konzern, um sich einer neuen beruflichen Herausforderung zu stellen. Das bestätigte MTV gegenüber dem Hamburger Informationsdienst new business (www.new-business.de). Der weithin anerkannte Musik- und TV-Experte Gorny hatte den Musiksender VIVA 1993 in Köln gegründet und fungierte dort als Geschäftsführer. Nach dem Börsengang 2000 übernahm Gorny den Vorsitz des Vorstandes der VIVA Media AG. Mit der Ãœbernahme durch die Viacom-Tochter MTV wechselte Gorny im Frühjahr 2005 in das MTV-Management.”
Kleine Lese-Empfehlung: Torsten Dewi argumentiert, warum die “Tagesschau” “einfach ein fetziges Stück TV-Unterhaltung” ist. Die um 19.45 Uhr.
Manche Pressemitteilungen sind so dermaßen irreführend, dass man sich wirklich fragt, wer die Veröffentlichung abgenickt hat. Aktuelles Beispiel: die lustige Gratis-Zeitung “Business News” aus der Verlagsgruppe Handelsblatt. Zunächst mal die Pressemitteilung in der Originalversion:
“Business News erzielt Auflagensprung
Deutschlands erste Office-Zeitung konnte Auflage um 13 Prozent steigern
Berlin, 26.01.2007
Business News ist weiter auf Erfolgskurs: Mit einer von Ernst & Young geprüften entnommenen Auflage von 95.388 Exemplaren im Dezember konnte der Verlag einen erheblichen Auflagensprung von 13 Prozent gegenüber November erzielen und ist aktuell dabei, die Auflage von 100.000 Stück zu überschreiten.
‘Wir erreichen auf diese Weise eine einzigartige, kaufkräftige Zielgruppe’, sagt Harald Wahls, Geschäftsführer der für die Vermarktung zuständigen GWP media-marketing, eine Tochter der Verlagsgruppe Handelsblatt. ‘Unsere Leser sind jung, urban, gut verdienend und in aufstrebenden Management-Positionen. Durch die ausschließliche Belieferung an die Mitarbeiter moderner Industrie- und Dienstleistungsunternehmen ist jeglicher Streuverlust ausgeschlossen.’ Zu den Kunden zählen zum Beispiel Microsoft, WestLB, RAG, Deutsche Post, Cap Gemini und BMW.
Nach dem ausgezeichneten Start im August vergangenen Jahres konnte die Auflage der 32seitigen, börsentäglich erscheinenden Wirtschaftszeitung um nahezu 40 Prozent gesteigert werden und ist in über 1.300 Unternehmen vertreten. ‘Das Interesse der deutschen Wirtschafts-Unternehmen an unserem innovativen Vertriebskonzept wächst rasant’, freut sich Dr. Marion Bleß, Geschäftsführerin von Business News genauso wie über die positive Resonanz der Tabloid-Zeitung bei der qualifizierten Leserschaft. ‘Es sind gerade die ambitionierten Mitarbeiter aus modernen, dynamischen Unternehmen, die unsere Kernzielgruppe stellen.'”
So. Jetzt erstmal sacken lassen. Geht’s wieder? Okay, dann jetzt dieselbe Pressemitteilung nochmal als Original und dazu jeweils in fett eine womöglich ähnlich plausible Version:
“Business News erzielt Auflagensprung”
Verlagsgruppe Handelsblatt druckt jetzt mehr “Business News”-Exemplare ohne zu wissen, ob sie auch jemand liest
“Deutschlands erste Office-Zeitung konnte Auflage um 13 Prozent steigern”
Deutschlands soundsovielte Gratis-Zeitung verkauft zu wenige Anzeigen, weswegen sie jetzt behauptet, von 13 % mehr Leuten gelesen zu werden
“Berlin, 26.01.2007
Business News ist weiter auf Erfolgskurs: Mit einer von Ernst & Young geprüften entnommenen Auflage von 95.388 Exemplaren im Dezember konnte der Verlag einen erheblichen Auflagensprung von 13 Prozent gegenüber November erzielen und ist aktuell dabei, die Auflage von 100.000 Stück zu überschreiten.”
Business News bleibt weiterhin im Nirgendwo. Da wir uns nicht trauen, unsere Auflage von der IVW messen zu lassen und lieber Praktikanten von Ernst & Young damit beauftragen, ab und zu in den Verteilboxen nachzuschauen, wie viele Zeitungen noch da sind, können wir nicht viel Konkretes über die Auflage sagen. Nur, dass 95.388 Stück abends nicht mehr da waren, wo sie waren, als wir sie loswerden wollten. Ob sie im Müll gelandet sind, auf dem Klo oder gar nicht erst in die Verteilboxen gepackt wurden – darüber wissen wir nicht viel. Ein paar Leute, die das Blatt tatsächlich lesen, werden aber auch darunter sein.
“‘Wir erreichen auf diese Weise eine einzigartige, kaufkräftige Zielgruppe’, sagt Harald Wahls, Geschäftsführer der für die Vermarktung zuständigen GWP media-marketing, eine Tochter der Verlagsgruppe Handelsblatt. ‘Unsere Leser sind jung, urban, gut verdienend und in aufstrebenden Management-Positionen. Durch die ausschließliche Belieferung an die Mitarbeiter moderner Industrie- und Dienstleistungsunternehmen ist jeglicher Streuverlust ausgeschlossen.’ Zu den Kunden zählen zum Beispiel Microsoft, WestLB, RAG, Deutsche Post, Cap Gemini und BMW.
“Wir erreichen auf diese Weise eine Gruppe von Menschen”, hätte Harald Wahls, Geschäftsführer der für die Vermarktung zuständigen GWP media-marketing, eine Tochter der Verlagsgruppe Handelsblatt, gesagt, wenn er etwas Ernsthaftes hätte sagen wollen. “Unsere Leser arbeiten wahrscheinlich. Schließlich kippen wir unsere Zeitungen umsonst in Firmen. Ich habe aber keine Ahnung, ob sie wichtig in den Unternehmen sind, in denen sie arbeiten oder vielleicht nur aufstrebende Putzfrauen und Hausmeister. Zumindest sind sie so gut verdienend, dass sie nicht einmal das Geld übrig haben, um sich eine vernünftige Zeitung zu kaufen.” Zu den Firmen, die sich breitschlagen lassen haben, sich Zeitungsverteilcontainer in den Eingangsbereich zu stellen, gehören Microsoft, WestLB, RAG, Deutsche Post, Cap Gemini und BMW. Warum sie das machen, wissen wir selbst nicht.
“Nach dem ausgezeichneten Start im August vergangenen Jahres konnte die Auflage der 32seitigen, börsentäglich erscheinenden Wirtschaftszeitung um nahezu 40 Prozent gesteigert werden und ist in über 1.300 Unternehmen vertreten. ‘Das Interesse der deutschen Wirtschafts-Unternehmen an unserem innovativen Vertriebskonzept wächst rasant’, freut sich Dr. Marion Bleß, Geschäftsführerin von Business News genauso wie über die positive Resonanz der Tabloid-Zeitung bei der qualifizierten Leserschaft. ‘Es sind gerade die ambitionierten Mitarbeiter aus modernen, dynamischen Unternehmen, die unsere Kernzielgruppe stellen.'”
Nach dem Start im August vergangenen Jahres haben wir 40 Prozent mehr von unserer Zeitung in die Eingangshallen der oben genannten und weiterer Firmen gekippt. “Das Interesse der deutschen Wirtschafts-Unternehmen an unserem nicht gerade neuen Vertriebskonzept des Verschenkens ist nicht gerade hoch”, würde Dr. Marion Bleß, Geschäftsführerin von Business News ernüchtert feststellen, wenn sie nicht das Gegenteil behaupten müsste. “Denn sonst würden wir sicher mehr Exemplare unserer immerhin kostenlosen Zeitung unter die Leute bringen können, als lumpige 95.388. Und vielleicht würden wir dann auch endlich mal ein paar Anzeigen verkaufen.”
Wow. Das klingt ja mal interessant. Die kommende Coldplay-Platte wird von Brian Eno produziert. Die Platte dürfte damit endlich mal tatsächlich anders klingen als die alten Coldplay-Sachen. Wann das Album erscheint, ist noch nicht klar, man will das neue Material aber schon auf einer Südamerika-Tour im Februar vorstellen. (via “NME“)
Morgen vor einem Jahr habe ich die deutschen blogcharts gestartet. Als Statistik-Fan, der schon als kleiner Junge Sport-Ergebnisse und Musikcharts gesammelt hat, wollte ich unbedingt die Lücke schließen, die durch den Tod von Blogstats entstand, und durch das Ende der mit dem Dienst verbundenen Top-100-Verlinkungslisten für Blogs.
In diesem ersten Jahr ist viel passiert, die blogcharts haben innerhalb und außerhalb der Blogwelt viel Aufmerksamkeit bekommen, wurden in Hunderten Blogs und Online-Magazinen verlinkt, wurden in Zeitschriften und Büchern zitiert. Mich freut extrem, dass meine Idee so gut angekommen ist. All das ist ein perfekter Lohn für die viele Arbeit, die ich in die Recherche und Erstellung der Charts stecke – aus finanziellen Gründen müsste ich die Charts nämlich eigentlich sofort schließen – sie bringen mir keinen Cent Geld ein. Aber das stand und steht für mich auch gar nicht im Vordergrund. Daher sollen die blogcharts auch weiterhin ein unkommerzielles Projekt bleiben. Im zweiten Jahr der blogcharts wird sich einiges tun: Unter anderem sollen die blogcharts ein neues Erscheinungsbild bekommen, wann genau steht noch nicht fest, aber es wird passieren. Und mit diesem Relaunch wird es auch ein paar nette Gimmicks geben, die die Archivzahlen besser nutzen. Ich hoffe, Ihr bleibt dabei, diskutiert mit mir, freut Euch so wie ich an den Charts und empfiehlt sie weiter. Wer mir etwas Materielles zum ersten Geburtstag der blogcharts schenken möchte, kann das natürlich tun – zum Beispiel mit meiner amazon-Wunschliste. Eine bessere Platzierung in den Charts könnt Ihr Euch damit aber nicht erkaufen ;-)
Die einen hören auf, die anderen kommen wieder. Gleich vier Bands haben angekündigt, zurück auf die Bühne zu klettern: Die legendären The Jesus and Mary Chain wollen angeblich nach acht Jahren Pause beim Coachella-Festival auftreten, Rage against the Machine vereinen sich nach sieben Jahren für das gleiche Festival wieder, die Brit-Indie-Popper James machen nach fünf Jahren Pause weiter und haben neues Material geschrieben und Crowded House, die tolle neuseeländisch-australische Popband, plant nach zehn Jahren Pause eine Welt-Tour.
Und zur Feier des Tages gibt’s nacheinander The Jesus and Mary Chain mit “just like honey”, Rage against the Machine mit “killing in the name of”, James mit “laid” und Crowded House mit “better be home soon”.
Mal was ganz anderes: Gibt es eigentlich irgendjemanden, der Urban Priol lustig findet? Irgendwie kann ich mir das so gar nicht vorstellen.
Mal sehen, wie lang es dauert, bis Horst Schlämmer in die deutschen blogcharts einsteigt. 18 verlinkende Blogs hat er in 6 Stunden schon eingesammelt. Mein Tipp: Nächste Woche ist er drin.