Vor einigen Tagen hat Blog-Suchmaschine Twingly eine Reihe neuer Blog-Toplisten an den Start geschickt – auch eine für deutschsprachige Blogs ist dabei. Von ein paar Bloggern wurde sie als Alternative zu den “berüchtigten Deutschen Blogcharts” bejubelt, ohne sich überhaupt auch nur zehn Minuten damit zu beschäftigen, nach welchen Kriterien Twingly die Liste erstellt – und ob sie denn überhaupt Sinn macht.
Da mir dank meiner jahrelangen blogcharts-Erfahrungen ein paar Platzierungen in der Twingly-Top-100 seltsam vorkamen, habe ich mich in den vergangenen Stunden mal ausführlich mit der Liste beschäftigt. Ich schreibe meine Erkenntnisse ausführlich und möglichst leicht verständlich auf, damit nicht schon wieder aus irgendwelchen Ecken Rufe kommen, ich würde doch nur meine eigene Liste verteidigen und dumpf die Konkurrenz schlecht reden wollen.
Twingly hat zum Start der Listen geschrieben, sie würden “mainly on inlinks and likes among other things” basieren. Sprich: Entscheidend seien Verlinkungen von anderen Blogs, so genannte “Likes” von Twingly-Nutzern und ominöse andere Faktoren. Klickt man sich nun durch die Twingly-Profile der 100 platzierten Blogs wird aus der geheimnisvollen Rechnung etwas ganz Langweiliges: Die Top 100 basiert offensichtlch einzig auf den Inlinks, zumindest ergeben die Werte in der Zeile “Linked by” der Blog-Profile eine absolut identische Reihenfolge zur Top 100.
Wenn nun also wie bei Technorati (und damit auch meinen deutschen blogcharts) offenbar nur die Verlinkungen, die ein bestimmtes Blog von anderen Blogs erhält, zählen, welcher Zeitraum wird von Twingly denn dann gewertet? Gesagt wird darüber nämlich leider nichts. Die Top-100-Blogs verfügen laut der Twingly-Profilseiten über 547 Verlinkungen auf Platz 1 (“Basic Thinking“) bis 48 Verlinkungen auf Platz 100 (“blog.yoda.ch“). Verglichen mit den Zahlen der deutschen blogcharts sind das also deutlich geringere Werte. Als ich die Verlinkungen meines eigenen Blogs auf der Twingly-Profilseite mit der Twingly-Datenbank verglich, kam ich auf etwa zwei Monate, in denen diese Links zusammenkamen. Das würde die im Vergleich zu den Blogcharts geringeren Zahlen erklären.
Doch dann kam ich durch meine Skepsis auf einigen Rängen schnell zum Kern des Problems: Auch bei “Stylespion“, bei Twingly deutlich schlechter platziert als in meinen blogcharts – kam ich auf einen Wert von etwa zwei Monaten (genau: 2 Monate und 12 Tage), in denen die laut Twingly-Profil gewerteten 64 Verlinkungen zusammenkamen. Aber dann wurde es seltsam: “Sichelputzer” hat laut Twingly 48 Verlinkungen – schaut man sich die Verlinkungen des Blogs in der Twingly-Datenbank an, muss man 5 Monate und 2 Tage zurückblättern, um auf 48 verschiedene Blogs zu kommen. Würde man auch bei diesem Blog nur 2 Monate und 12 Tage werten, ergäben sich nur 28 Links – und nicht 48.
Je mehr Stichproben ich nahm, desto seltsamer wurde es. Bei “Blogschrott” muss man 9 Monate und 28 Tage zurückblättern, um auf die angeblichen 67 verlinkenden Blogs zu kommen, bei “Datenschmutz” 11 Monate und 13 Tage – und bei “Fischmarkt” kommen sogar überhaupt nicht genug Links zusammen. Laut Profilseite sollen es 48 sein – in der Twingly-Datenbank finden sich aber nur 46 verschiedene Blogs – egal, wie weit man zurückblättert. Mit anderen Worten: Die Twingly-Top-100 ist völlig wirr und macht von vorn bis hinten überhaupt keinen Sinn. Ich weiß nicht, wie genau die Twingly-Rechner die Listen errechnet haben, ich kann nach den vergangenen Stunden aber nur mutmaßen, dass der Würfel dabei eine große Rolle gespielt hat.
Ich finde das sehr schade, denn die Probleme, unter denen Technorati immer wieder leidet, machen die Arbeit an den deutschen blogcharts oft genug zu einem riesigen Krampf. Erst in dieser Woche sind wichtige Funktionen der Technorati-API wieder mal komplett ausgefallen, immer mehr Verlinkungen tauchen gar nicht erst bei Technorati auf und der Support ist so mies wie eh und je. Daher bin ich selbst gar nicht abgeneigt, irgendwann die Grundlage der Blogcharts von Technorati zu einer anderen Blog-Suchmaschine zu verlagern. Twingly war mir bei meinen ständigen Recherchen und Berechnungen dabei in den vergangenen Wochen extrem positiv aufgefallen. Die Anzahl der Verlinkungen, die sich dort finden, ist inzwischen beinahe so hoch wie bei Technorati und liegt deutlich über der Zahl, die Googles leider mangelhafte Blogsearch findet. Wenn Twingly nun also in jüngerer Vergangenheit über eine solch gute Datenbank verfügt, warum veröffentlicht man dann solch eine völlig unsinnige Top-100-Liste? Ich habe Twingly vorhin über meine Recherche-Ergebnisse informiert und bin nun gespannt auf die Reaktion. Ich werde an dieser Stelle darüber berichten.