Ich bin kein wirklicher Comic-Junkie. Ich habe in den vergangenen Jahren zwar immer wieder mal eine Comicserie gelesen und versuche mich gerade an “Fables” – doch das sind Einzelfälle. Der aufkommende Hype um die “Watchmen”-Verfilmung hat mich dann vor Kurzem aber endgültig auch dazu gebracht, mir den Comic zu kaufen, um perfekt auf den Film vorbereitet zu sein. Denn das, was Freunde mit erzählten, reichte aus, um meine Neugier zu steigern. Und schließlich hat das “Time”-Magazin “Watchmen” auch mal in einer Liste der 100 besten Romane des 20. Jahrhunderts aufgeführt. Als einzigen Comic.
Die Gelegenheit, den Film in einer Pressevorführung eine Woche vor Kinostart zu sehen, hat diese Pläne etwas durcheinander gewürfelt, sodass ich nur rund ein Drittel der Story kannte, bevor ich im Kino saß. Vielleicht war aber genau das auch ein gutes Mittel, den Film aus wissender und unwissender Perspektive zu sehen. Zu prüfen, ob man den Comic unbedingt kennen muss, bevor man den Film sieht. Mein Fazit: Man muss es nicht. Zack Snyders Film gibt die Vorlage perfekt wieder, ohne auf wichtige Details zu verzichten. Ein bisschen Konzentration vorausgesetzt – “Watchmen” ist schließlich komplexer, intelligenter Stoff – ist der Film auch für sich genommen ein großes Vergnügen. Und umso interessanter ist es, hinterher in der Comic-Vorlage nachzuschauen, wie einzelne Szenen umgesetzt wurden.
Kurz zur “Watchmen”-Story: Während die Welt Mitte der 80er Jahre am Abgrund eines Atomkrieges steht, sorgt ein Mord am Ex-Superhelden The Comedian für Verstimmungen bei seinen verbliebenen Kollegen. Vor allem der düstere Rorschach will herausfinden, wer hinter dem Verbrechen steht – und ob auch er und die anderen Superhelden in Gefahr sind. Gibt es eine Verschwörung, um die letzten Superhelden von der Erde zu entfernen?
Rund um diese Grundstory entwickelt sich ein ganzes Universum, das in Comic und Film erzählt wird. Zwei Generationen von Superhelden, die alle entweder tot sind, sich zur Ruhe gesetzt haben oder sich an alte Zeiten erinnern – dazu der Konflikt zwischen der USA und der UdSSR, dessen Eskalation durch Atomkrieg womöglich nur von Doctor Manhattan verhindert werden kann, dem einzigen der Superhelden, der noch aktiv für die US-Regierung arbeitet.
“Watchmen” sorgt von der ersten Minute an so sehr für Spannung, wie man es sich nur wünschen kann. Mit fabelhaft umgesetzten Bildern, perfekter Atmosphäre, die mit geschickten Sequenzen immer wieder daran erinnert, in welcher Zeit man sich befindet, und einer dank des ursprünglich 12-teiligen Comics extrem dichten und fesselnden Story langweilt der Film in keinem einzigen Moment – und das, obwohl er 2:40 Stunden lang ist. Selbst das, was ein Regisseur nicht aus der Comicvorlage ziehen kann, sondern hinzufügen muss – Töne und Musik zum Beispiel – fügt sich perfekt in das Gesamtwerk ein. So erklingen in “Watchmen” u.a. “All along the Watchtower” von Jimi Hendrix, “Hallelujah” von Leonard Cohen, “The Sound of Silence” von Simon & Garfunkel und lustigerweise auch “99 Luftballons” von Nena.
Die Haupt- und Nebenrollen sind in “Watchmen” allesamt mit Leuten besetzt, die man zum Teil schon im Kino oder in US-Serien gesehen hat, die aber keine großen Stars sind – ein gutes Mittel, um den Film in den Vordergrund zu stellen – und nicht irgendwelche Hollywood-Giganten. Zack Snyder ist es definitiv gelungen, aus einem extrem guten Comic einen mindestens genauso extrem guten Film zu machen. Und so bleibt am Ende eigentlich nur noch eine Frage: Wer traut sich nach “Watchmen” eigentlich noch, einen weiteren Superhelden-Film zu produzieren? Einen besseren wird es sicher nicht mehr geben. 9 von 10 Punkten.