gedanken zum relegations-abend in düsseldorf. 27
Das Thema dreht sich in meinem Kopf schon den ganzen Tag lang, also muss ich meine Gedanken jetzt mal rauslassen. Ich war am Dienstagabend beim Bundesliga-Relegationsspiel zwischen Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC. Die Berichterstattung in vielen Medien ist mir heute so negativ aufgefallen, dass ich einfach mal meine Sicht der Dinge schildern muss. Um das vorweg zu sagen: Es ist die Sicht eines FC-Bayern-Mitglieds mit großen Sympathien für Fortuna Düsseldorf.
Was in mir heute starkes Kopfschütteln ausgelöst hat, ist die Skandalisierung des Geschehens, das Aufputschen, das Angstmachen. Die Rede war von “Fußball-Schande”, immer wieder von “Ausschreitungen” und “Randale”. Wo auch immer die Schreiber das gesehen haben wollen, in Düsseldorf kann es nicht gewesen sein. Um eins klar zu sagen: Ich verabscheue Bengalos und Pyrotechnik in Stadien. Ich möchte in ein paar Jahren, wenn mein kleiner Sohn alt genug ist, mit ihm zum Fußball gehen, ohne Angst zu haben, dass wir von Böllern oder Raketen getroffen werden (wie beispielsweise Fans beim Spiel zwischen Rostock und St. Pauli 2011).
Am Dienstagabend wurde in beiden Fanblöcken Pyrotechnik benutzt, die Hertha-Fans haben dabei Böller und Pyros auf den Rasen geschmissen, dabei sicher auch Verletzungen von Ordnern in Kauf genommen. Mir ist es immer wieder ein Rätsel, wie dieser Sprengstoff mit in Stadien gebracht werden kann, wenn doch jeder kleine Junge beim Einlass abgetastet wird und ich sogar schon erlebt habe, dass ein Fahrradhelm (!) nicht mit ins Stadion genommen werden darf.
Das, über das ich viele heute aber aufregen – und der Grund dafür, dass es nun womöglich ein Wiederholungsspiel geben wird, war eine völlig andere Situation, die nichts mit der Ultra-Szene oder “Chaoten” zu tun hat – es hat sich zudem komplett anders zugetragen, als an vielen Stellen berichtet. Das Stürmen des Platzes von Hunderten Fortuna-Fans war keine Aggression, keine Randale, keine Gewalt, es war einfach nur Dummheit. Mehrere Minuten vor Ende des Spiels postierten sich viele Fans schon an der Seite des Spielfelds, warteten allerdings recht brav hinter den Werbebanden. Offenbar im irrigen Glauben, der Schiedsrichter habe das Spiel abgepfiffen, rannten sie zu Hunderten auf den Platz und lieferten Hertha BSC damit die Vorlage für den Protest.
Das, was ich sah, waren tanzende, jubelnde Fans, viele Pubertierende, sogar kleine Jungs. Niemand, der den Platz gestürmt hatte, war gewaltbereit, die Polizei berichtet heute in einer Pressemitteilung: “So kam es weder vor, während noch nach dem Spiel zu gravierenden körperlichen Auseinandersetzungen oder Gewalt.” Wenn also gewaltbereite Chaoten den Platz gestürmt haben sollen, warum kam es dann nicht zu Gewalt? Und warum verließen sie nach ein paar Minuten wieder freiwillig den Platz und entschuldigten sich unterwürfig bei Fortuna-Spielern, die sie vom Platz scheuchten? Offenbar gab es ja sogar unter den Hertha-Spielern mehr Gewaltbereitschaft als bei den Hunderten Fans auf dem Platz – oder wie anders ist der berichtete Schlag eines Spielers auf den Schiedsrichter sonst zu erklären?
Natürlich habe ich mich extrem geärgert, als die Fans zu früh den Platz stürmten – denn ich habe genau in dieser Sekunde gewusst, dass es zu einer Entscheidung am grünen Tisch kommen würde und die Dummköpfe nicht nur die tolle Saison der Mannschaft gefährden, sondern auch den Fans und einer gesamten nach Erstligafußball hungernden Stadt die Feierlaune versauen. Und nicht nur ich habe mich geärgert: Um mich herum haben Tausende Menschen den Fans auf dem Spielfeld “Und Ihr wollt Fortunen sein?” entgegen geschrien. Und als die Hertha-Spieler später wieder auf den Platz kamen, spendeten ebenfalls Tausende Fortuna-Fans ihnen Beifall.
Dass Hertha BSC nun tatsächlich Protest eingelegt hat, ist sicher legitim, als Fan der Mannschaft würde ich mich allerdings in Grund und Boden schämen, wenn Hertha in einem eventuellen Wiederholungsspiel nun doch noch den Klassenerhalt schaffen sollte. Man hatte 34 plus 2 Spiele Zeit und hat es auf sportlichem Wege nicht geschafft.
Was mich ärgert, ist auch die Art, wie sogar ARD und ZDF auf den Skandalisierungs-Zug aufspringen und Sondersendungen ins Programm nehmen – und das, obwohl auf tagesschau.de so kluge Kommentare wie dieser hier erscheinen. Von Medien wie Bild.de habe ich nichts anderes erwartet, als eine schreiende Zeilen wie “Fußball-Schande”, bei seriösen Medien hätte man den Ball allerdings flach halten müssen. Bei manchem Bericht habe ich ohnehin die Vermutung, dass dort jemand anhand von Fernsehbildern geschrieben hat und nicht als Zeuge im Stadion. Ich selbst habe noch keine ausführlichen TV-Bilder gesehen, wurde aber von mehreren Leuten angesprochen, ob ich bis zum Schluss da gewesen sein, Angst gehabt habe oder mir etwas passiert sei. Offenbar war der Eindruck vor den Fernsehen also ein komplett anderer als der im Stadion. Dass von Hertha-BSC-Seite Worte wie “Todesangst” fallen, empfinde ich als peinlich und als strategisch.
Nochmal zur Klarstellung: Auf Seite von Fortuna Düsseldorf wurden große Fehler gemacht. Vor allem die Sicherheitskontrollen waren offenbar so mies, dass kiloweise Pyrotechnik ins Stadion gebracht werden konnte. Daraus muss der Verein und muss das beauftragte Sicherheits-Unternehmen Konsequenzen ziehen. Einen Sturm des Spielfeldes, wie er (wenn auch meist erst nach dem tatsächlichen Abpfiff) am Saisonende auf Hunderten Plätzen des Landes vorkommt, kann man wohl nicht verhindern. Es sei denn, man möchte jedem Zuschauer einen persönlichen Ordner zur Seite stellen oder wieder hohe Zäune errichten.
Das frühzeitige Stürmen am Dienstagabend hätte man aber womöglich doch verhindern können. In meinem Umfeld fragten sich viele Fans (auch ich): Was? Nur eine Minute Nachspielzeit? Die “7” war also bei entsprechender Entfernung oder schlechtem Winkel nicht für jeden von einer “1” unterscheidbar. Warum also blendet man die Nachspielzeit nicht groß auf der Anzeigetafel ein oder sagt sie laut per Stadionsprecher durch? Was noch dazu kommt ist eine Tatsache, die mich in der Düsseldorfer Arena schon des Öfteren genervt hat: Die Spielzeit bleibt auf den Anzeigetafeln ganz einfach bei 90:00 stehen. Schaut man nicht genau in diesem Moment auf die Uhr, verliert man nach einiger Zeit notgedrungen das Gefühl dafür, wie lang noch zu spielen ist. Hätte man also auf der Anzeigetafel anzeigt, wie viele Minuten der 7 schon gespielt wurden, vielleicht hätte man den frühzeitigen Platzsturm verhindern können.
Zusammenfassend: Ein paar Idioten haben am Dienstagabend mit Bengalos und Böllern genervt und vielleicht auch für Gefahr gesorgt. Am Ende des Spiels haben Hunderte harmlose Dummköpfe, die nur feiern wollten, dafür gesorgt, dass Hertha BSC nun Protest einlegen konnte. Die Medien sollten diesen Abend nicht skandalisieren, sie sollten die Szenerie so beschreiben, wie sie war. Und wenn man keinen Journalisten vor Ort hatte, sollte man es vielleicht auch lieber lassen.