In der letzten Zeit habe ich manchmal gedacht, dass bald alles wieder gut wird. Für einen kurzen Moment war ich mir ganz sicher, tausendprozentig sicher. In diesen kurzen, wunderbaren Augenblicken hatte ich jedes Mal ein Bild vor Augen, und zwar einen großen, ruhigen See mit spiegelglatter Oberfläche. Nichts regt sich auf diesem See und nichts bewegt sich. Ich meine, es schwimmen keine Enten darauf herum oder so etwas. Er ist nur groß und ruhig, der See, sehr groß und sehr ruhig, und seine Oberfläche ist ganz glatt.
Und manchmal – bei einem grandiosen Satz in einem Buch, nach einem ganz bestimmten Musikstück im Radio oder einem Film im Kino -, manchmal habe ich tatsächlich die Vorstellung, jetzt fängt alles neu an, das ganze Leben beginnt sozusagen von vorn, und alles Vorherige ist null und nichtig und endgültig vorüber. Dann aber – kaum lese ich weiter, kaum drehe ich das Radio aus oder komme aus dem Kino und höre die ersten Sätze der Leute im Bus oder in der U-Bahn – weiß ich doch wieder: Alles ist bloß Illusion und leere Hoffnung. Alles bleibt vorerst so, wie es ist. Da kann ich machen, was ich will. Das Leben geht weiter. Es geht immer weiter, und eben das ist das Unfassbare.
Doch ich habe alle Zeit der Welt. Irgendwann wird wieder alles funktionieren. So wird es sein, da bin ich mir ganz sicher. Irgendwann wird es wieder so sein, dass es funktioniert.
(Markus Seidel – “Und alle Zeit der Welt“)
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